Vor einiger Zeit kündigte ich meine Stelle als Schulsozialarbeiterin und eröffnete meine Lerntherapie – Praxis. Dabei dachte ich nicht daran, so schnell wieder in die Schule zurückzukehren. Ich reiste mit meiner Familie ein paar Monate in der Welt herum und war überglücklich, dass Lerntherapie auch online möglich ist.

Die Reise ging zu Ende. Wir kamen langsam wieder in Ravensburg an. Und schwupps! Da war diese Mail in meinem Postfach… Die Schulleiterin der Gemeinschaftsschule Salem fragte, ob ich das Lerntherapeuten-Team an ihrer Schule unterstützen möchte. Wow, dachte ich: Lerntherapie an der Schule! Eine wunderbare Möglichkeit, der Zusammenarbeit mit Schüler:innen und Lehrer:innen…soooo schnell war ich also wieder in der Schule zurück!

Im Folgenden berichte ich über die Bedeutung von Lerntherapie in der Schule und die Vorteile, die sich daraus ergeben. Außerdem werfen wir einen Blick zu den Unterschieden zwischen der Arbeit in der Schule und in eigener lerntherapeutischer Praxis. Denn vielleicht stehen Sie vor einer Entscheidung zwischen den beiden Angeboten.

Die Bedeutung von Lerntherapie in der Schule

Die Schule ist ein Ort des Lernens und der persönlichen Entwicklung. Doch nicht alle Schülerinnen und Schüler haben die gleichen Voraussetzungen, um erfolgreich in ihrem schulischen Umfeld zu agieren. LRS (Legasthenie), Dyskalkulie und anderen Lernschwierigkeiten, erschweren ihre schulische Laufbahn. Hier kommt die Lerntherapie in der Schule ins Spiel. Dies ist eine wertvolle Ressource, die SchülerInnen hilft, ihre individuellen Herausforderungen zu bewältigen und ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Was lerntherapeutische Förderung in der Schule unschlagbar macht!

1. Individualisierung in der Schule:

Jeder Schüler und jede Schülerin ist einzigartig und hat unterschiedliche Lernbedürfnisse. Lerntherapie erkennt diese Individualität an und bietet gezielte Unterstützung, die auf die spezifischen Schwierigkeiten eines jeden Lernenden zugeschnitten ist.

Dabei richtet sich Lerntherapie in der Schule nicht nach dem schulischen Lernstoff. Denn auch wenn die Schüler:innen bereits die fünfte Klasse besuchen, sagt dies nichts über ihren tatsächlichen Entwicklungsstand im Lesen, Rechtschreiben oder Rechen aus. Ich arbeite mit den Jugendlichen oftmals noch an der Phonologischen Bewusstheit, der Silbenstrategie und dem lauttreuen Schreiben. Dann können wir erst die Rechtschreibregeln erkunden. Die Lernenden absolvieren ein Schnelllesetraining oder lernen, sinnentnehmend zu lesen – so wie sie es brauchen. An dem Lernstoff der jeweiligen Klasse zu arbeiten, würde eher Nachhilfe sein und den Kindern nicht langfristig helfen. Denn wir müssen oftmals an die Vorläuferfertigkeiten ran, an das genaue Hören der Laute und von dort aus Schritt für Schritt eine Basis schaffen.

2. Förderung des Selbstvertrauens (am Ort des Geschehens):

Lernschwierigkeiten können das Selbstbewusstsein von Schüler:innen erheblich beeinträchtigen. In der Schule bekomme ich Ihre Sorgen und Ängste, aber auch die positiven Augenblicke zeitnah mit. Zusammen erörtern wir Strategien zum Umgang mit Prüfungsstress oder finden Ideen und Überlebensstrategien für die Schule ;-).

Durch die erfolgreiche Bewältigung dieser Schwierigkeiten in der Lerntherapie können Schüler ihr Selbstvertrauen stärken und eine positive Einstellung zum Lernen entwickeln.

3. Ein Schritt zur Normalität der Unterschiedlichkeit (Inklusion):

Inklusive Bildung, bei der Schüler mit besonderen Bedürfnissen gemeinsam mit ihren Altersgenossen unterrichtet werden, ist ein wichtiges Ziel vieler Schulsysteme. Lerntherapie in der Schule unterstützt die Umsetzung dieser inklusiven Ansätze, indem sie sicherstellt, dass Schüler:innen mit Legasthenie und Dyslexie die notwendige Unterstützung erhalten.

4. Prävention von Frustration und Schulabbruch:

Unbehandelte Lernschwierigkeiten können zu Frustration und Ablehnung der Schule führen, was letztendlich zu Schulabbruch führen kann. Lerntherapie kann diese negativen Entwicklungen verhindern, indem sie Schülern die Werkzeuge und Strategien gibt, um ihre Herausforderungen zu bewältigen.

5. Kommunikation mit den Lehrkräften:

Wie sieht der Schulalltag des Kindes aus? Welche Erfahrungen macht es mit den Klassenkameraden und den Lehrkräften? Wie gelingt der Transfer von lerntherapeutischen Inhalten in der Schule? Ein wichtiger Punkt im Rahmen der Lerntherapie ist der Austausch mit den Lehrpersonen des Therapie-Kindes. Die örtliche Nähe erleichtert die Kommunikation zwischen LehrerInnen und LerntherapeutInnen. Ein Pausengespräch lässt Einblicke in die Arbeitsweise zu und man kann gemeinsam zwischendurch nach Lösungen suchen.

Gründe für eine Förderung in einer Praxis für Lerntherapie

Lerntherapie in eigener Praxis

1. Eigener Raum für Stärken und Schwächen:

Auch wenn wir in der Schule während der Lerntherapie-Stunden in einem eigenen Raum sitzen: die Schulatmosphäre ist in der Schule einfach nicht wegzudenken. In meiner Lerntherapie-Praxis gewinnen die Schüler:innen örtlichen und mentalen Abstand von der Schule. So können sie noch freier an ihren eigenen Themen arbeiten. Die Praxis für Lerntherapie ist ein geschützter Bereich für eigene Ziele, Stärken, Schwächen, auch mal Frust (loslassen) und fleißiges Arbeiten. Manchmal tut es einfach gut, eine Lerntherapeutin außerhalb der Schule aufzusuchen.

2. Schulstunden werden nicht ausgelassen:

Die Planung der Lerntherapie-Stunden in der Schule ist komplex. Die Lerntherapie soll schließlich keine neuen „Löcher“ im Schulstoff hervorbringen und die Schüler:innen möglichst wenige Stunden verpassen. Dies ist ein Vorteil der Lerntherapie in eigener Praxis: sie findet am Nachmittag statt und es werden keine Unterrichtsstunden versäumt, die widerum nachgeholt werden müssen.

3. Die Lerntherapeutin als schulunabhängige Ressource:

Lerntherapeuten in der Schule sind auf selbständiger Basis tätig und in ihrem therapeutischen Handeln frei. Dennoch kann bei den SchülerInnen der Eindruck entstehen, dass die Lerntherapie zum System Schule gehört und ebenso „doof“ ist wie diese. Die räumliche Trennung von Lerntherapie-Praxis und Schule lässt den Lerntherapeuten freier erscheinen und kann noch mehr als „Verbündeter“ der Schüler:innen wahrgenommen werden. Wobei ich immer wieder bestrebt bin, auch im Lernort Schule Fürsprecherin der Schüler:innen zu sein.

Fazit

Lerntherapie ist eine entscheidende Ressource in der schulischen Bildung, die Schüler:innen mit Lernschwierigkeiten die Möglichkeit gibt, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Durch die Individualisierung der Unterstützung, die Stärkung des Selbstvertrauens und die Prävention von Frustration kann Lerntherapie einen bedeutenden Einfluss auf das schulische Leben der Schüler haben. Es ist wichtig, dass Schulen und Bildungseinrichtungen die Bedeutung der Lerntherapie erkennen und sicherstellen, dass sie für Schüler:innen mit besonderen Bedürfnissen leicht zugänglich ist. Denn letztendlich sollte Bildung für alle, unabhängig von ihren Herausforderungen, eine realisierbare Möglichkeit sein.